Ein strategischer Leitfaden für Führungskräfte in Transformationen
Kommunikation ist Führungsarbeit – und sie ist steuerbar
In meinen Mandaten als Interim Manager erlebe ich: Erfolgreiche Transformation beginnt mit Kommunikation. Nicht mit Konzepten oder Präsentationen, sondern mit der Fähigkeit, Menschen mitzunehmen, Klarheit zu schaffen und Spannungen produktiv zu steuern.
Wertvolle Impulse für die Praxis hierzu liefert Peter Modler, dessen Bücher ich auch als Managementlektüre besonders inspirierend finde . Sein Modell zur Kommunikation, Macht und Wahrnehmung eröffnet Führungskräften im Wandel neue Perspektiven darauf, wie Sprache wirkt – vertikal wie horizontal.
Zwei Werkzeuge lassen sich in der sensiblen und hochemotionalen Change Kommunikation gut verbinden:
- Modlers Dreiklang aus High Talk, Basic Talk und Move Talk, der zeigt, auf welcher Kommunikationsebene Führung gerade stattfindet – argumentativ, direkt oder nonverbal.
- Das Process Communication Model (PCM), das erklärt, wem wir begegnen – sechs Persönlichkeitstypen mit unterschiedlichen Kommunikationsbedürfnissen und Stressmustern.
Die Praxisformel lautet:
Ebene erkennen (Modler) × Typ ansprechen (PCM) = Kommunikation, die führt.
Diese Kombination nutze ich in Change-Prozessen, um Widerstände zu verstehen, Energie zu lenken und Umsetzung sicherzustellen – insbesondere in Organisationen, die unter Druck stehen oder ihre Kultur verändern müssen.
Die drei Ebenen der Kommunikation: Nach Peter Modler
Kommunikation verläuft immer auf mehreren Ebenen – ob im Meeting, im Konflikt oder im Veränderungsprozess. Peter Modler beschreibt mit High Talk, Basic Talk und Move Talk drei typische Kommunikationsformen, die sich im Zusammenspiel von Sprache, Macht und Wirkung unterscheiden.
Sie sind auch anschlussfähig an andere kommunikationspsychologische Modelle, wie z.B. die von Friedemann Schulz von Thun.
Ebene | Merkmale | Beispiel | Wirkung auf Teams/PCM-Typen |
---|---|---|---|
High Talk | Sachlich, argumentativ, logisch – zielt auf Inhalte und Struktur. | „Die Analyse zeigt, dass Prozess X die Effizienz um 20 % steigert.“ | Überzeugt Logiker (Thinker) und Beharrer (Persister), verliert die Typen Rebell und Macher (Promoter). |
Basic Talk | Direkt, klar, oft emotional – klärt Hierarchien und Handlungsrahmen. | „Das machen wir jetzt so – Punkt.“ | Aktiviert die Tpen Macher und Rebell, überrollt den Typ Empathiker (Harmoniser). |
Move Talk | Nonverbal – Körpersprache, Raumverhalten, symbolische Handlungen. | Führungskraft steht auf, geht zur Flipchart, hält Blickkontakt. | Wirkt auf Empathiker und Träumer (Imaginer), kann Logiker irritieren. |
Warum das entscheidend ist:
In Change-Prozessen dominieren häufig Basic Talk („Das geht nicht!“) und Move Talk (z. B. demonstratives Schweigen oder Rückzug), während Führungskräfte auf High Talk setzen („Die Zahlen belegen …“). Die Kunst liegt darin, bewusst zwischen den Ebenen zu wechseln – je nach Situation und Persönlichkeit.
Vertikales und horizontales Sprachsystem:
Die Tiefenstruktur der Kommunikation
Ein weiterer, überaus spannender Aspekt bei Modler ist die Unterscheidung zwischen vertikalem und horizontalem Sprachsystem – eine Einsicht, die auf linguistische Grundlagen zurückgeht.
- Das Konzept ist ursprünglich inspiriert von Ferdinand de Saussure, dem Begründer der modernen Sprachwissenschaft, der zwischen langue (dem abstrakten Sprachsystem) und parole (dem konkreten Sprachgebrauch) unterschied.
- In der modernen Soziolinguistik wurde diese Achsentrennung weiterentwickelt:
- Vertikal beschreibt die Hierarchie, Position und Macht innerhalb eines Gesprächs.
- Horizontal bezeichnet den inhaltlichen Austausch auf Augenhöhe, den sozialen und kulturellen Kontext.
- Deborah Tannen, eine der prägenden Sprachforscherinnen der Gegenwart, zeigte in ihrer Grundlagenforschung, wie stark Kommunikationsmuster durch diese Achsen bestimmt sind – etwa durch Status, Rollenbilder oder Beziehungsebenen.
Diese soziolinguistische Unterscheidung können wir auf die Managementpraxis übertragen: Wer im Change-Prozess nur horizontal kommuniziert (partnerschaftlich, dialogisch), verliert an Wirkung gegenüber Gesprächspartnern, die vertikal agieren (machtbewusst, positionsbezogen). Modler nutzt in seinen Publikationen und öffentlichen Auftritten diese Differenzierung, um die großen demokratiegefährdenden Verwerfungen und Konfikte in der politischen Diskussionskultur zu beschreiben. Aber für Sprache, Kultur und Führung im Management ist das in gleicher Weise relevant.
Gerade Interim Manager müssen beide Systeme beherrschen – das vertikale für Führung und Durchsetzung, das horizontale für Kooperation und Vertrauen.
So entsteht eine Sprache, die gleichzeitig wirksam und anschlussfähig ist – eine Kernkompetenz in Veränderungsprozessen.
PCM: Die sechs Persönlichkeitstypen und ihre Kommunikationsbedürfnisse im High Talk, Basic Talk und Move Talk
Das Process Communication Model (PCM) erklärt, warum Menschen unterschiedlich auf Kommunikation reagieren – und wie man sie gezielt erreichen kann. Für Interim Manager ist das Gold wert: Man erkennt, welche Sprache, Haltung und Ebene bei wem wirkt. In meinem Beitrag über Kommunikationsmodelle im Change hatte ich dies ausführlicher erläutert.
PCM-Typ | Kommunikationsstil | Stressreaktion | Optimale Ansprache (Modler-Ebenen) |
---|---|---|---|
Logiker (Thinker) | Logisch, faktenorientiert, strukturiert. | Zieht sich zurück, wird überkritisch. | High Talk (Daten, klare Argumente) |
Beharrer (Persistor) | Werteorientiert, prinzipientreu, detailbewusst. | Wird moralisierend oder stur. | High Talk (Prinzipien, Verantwortung) |
Empathiker (Harmoniser) | Empathisch, beziehungsorientiert, sensibel. | Wird passiv oder vermeidet Konflikte. | Move Talk (sichere Körpersprache, Nähe) |
Träumer (Imaginer) | Visionär, kreativ, bildhaft denkend. | Zieht sich geistig zurück. | Move Talk (Bilder, Symbolik) |
Rebell | Spontan, direkt, freiheitsliebend. | Wird oppositionell oder trotzig. | Basic Talk (kurz, klar, handlungsorientiert) |
Macher (Promoter) | Charismatisch, durchsetzungsstark, entscheidungs-freudig. | Wird dominant oder konfrontativ. | Basic + Move Talk (Energie, Präsenz) |
Praxisbeispiel:
Ein Rebel im Team sagt: „Das ist wieder typisches Berater-Gelaber!“
- Falsche Reaktion: High Talk („Lassen Sie mich die Daten erklären …“). Dies führt zur Eskalation.
- Bessere Reaktion:
- Basic Talk: „Sie haben recht – bisher war das nicht praxistauglich. Jetzt machen wir es anders. (Und dann Vorschlag einer konkreten Handlung).“
- Move Talk: Offene Geste, Blickkontakt, räumliche Nähe.
Kommunikation im Change:
So funktionieren die Modelle in der Praxis
A. Vom Widerstand zur Handlung
In Change-Projekten nutze ich beide Modelle gezielt, um Blockaden zu lösen und Energie in Umsetzung zu überführen:
Situation | PCM-Typen im Fokus | Strategie |
---|---|---|
Ankündigung von Veränderungen | Empathiker, Träumer | Move Talk („Ich stehe hier – wir gestalten das gemeinsam.“) + Basic Talk („Die nächsten Schritte sind X, Y, Z.“) |
Widerstand im Team | Rebells, Macher | Basic Talk („Ihre Kritik ist berechtigt. Hier sind die Optionen: A, B, C.“) + Move Talk (offene Haltung, Blickkontakt). |
Motivation nach Krisen | Logiker, Beharrer | High Talk (Daten, Logik) + Move Talk (symbolischer Neustart, z. B. Kick-off-Ritual). |
B. Meetings strukturieren, die alle abholen
Erfolgreiche Meetings folgen einem klaren Kommunikationsrhythmus – einer Struktur, die alle Persönlichkeitstypen anspricht:
Phase | Ebene | PCM-Fokus |
---|---|---|
Einstieg | Move Talk | Empathiker/Träumer: Emotionaler Check-in („Wie geht’s Ihnen mit dem Thema?“). |
Zielklärung | Basic Talk | Rebell/Macher: „Unser Ziel heute: Entscheidung zu X in 30 Minuten.“ |
Inhalte | High Talk | Logiker/Beharrer: Fakten und Logik – kompakt und fokussiert. |
Abschluss | Move + Basic Talk | Alle: Klare Next Steps + symbolischer Abschluss (z. B. Handschlag). |
Kommunikationskultur als Spiegel der Organisation
Mein Dauer-Credo heißt: Kommunikation ist der Lackmustest jeder Unternehmenskultur.
Sie zeigt weit stärker als Leitbilder oder Werteplakate, welche Denk- und Machtstrukturen tatsächlich wirken.
Drei typische Kommunikationsmuster – und was sie über eine Organisation verraten:
- Wenn High Talk dominiert:
Die Organisation denkt und entscheidet über Analysen, Zahlen und Argumente.
Kompetenz wird an Rationalität gemessen, Entscheidungen entstehen langsam, aber fundiert.
Risiko: Teams verstricken sich in Endlosschleifen von PowerPoint und Perfektion. Emotionen und Intuition gelten als störend.
Führungstipp: Ergänzen Sie High Talk gezielt durch Move Talk (sichtbare Präsenz, Haltung) und Basic Talk (klare Entscheidungen), um Wirkung und Tempo zu erhöhen. - Wenn Basic Talk dominiert:
Hier zählt Umsetzungsstärke. Entscheidungen werden schnell getroffen, Konflikte offen ausgetragen.
Vorteil: hohe Dynamik, klare Verantwortlichkeiten, sichtbare Ergebnisse.
Risiko: Reflexion und Perspektivenvielfalt kommen zu kurz – Mitarbeitende fühlen sich überrollt oder nicht gehört.
Führungstipp: Integrieren Sie High Talk, um rationale Begründungen und Orientierung zu geben, und Move Talk, um Vertrauen und Stabilität aufzubauen. - Wenn Move Talk dominiert:
Macht, Status und nonverbale Signale steuern die Organisation – oft unausgesprochen.
Wer Präsenz zeigt, wird gehört; wer still bleibt, verliert Einfluss.
Risiko: Entscheidungen entstehen aus Machtbalance statt Argumenten; Angst und Anpassung ersetzen Diskurs.
Führungstipp: Bringen Sie High Talk ins Spiel, um Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu schaffen, und Basic Talk, um Regeln und Verantwortlichkeiten zu klären.
Fazit:
Jede Organisation besitzt ihre kommunikative DNA. Sie entscheidet darüber, ob Veränderung verstanden, akzeptiert oder blockiert wird. Die Aufgabe von Führungskräften – und insbesondere von Interim Managern – besteht darin, diese Muster zu erkennen, gezielt zu balancieren und so Kommunikation als Kulturhebel zu nutzen.
Kommunikation als Führungsinstrument im Interim Management
Mit Modlers Kommunikationsebenen, seiner Differenzierung von vertikalem und horizontalem Sprachsystem und dem Process Communication Model (PCM) steht Führungskräften ein präzises Set an Werkzeugen zur Verfügung, um Veränderung und Führung gezielt zu gestalten.

Drei Sofortmaßnahmen für Ihren nächsten Change-Prozess:
- Typen beobachten – Muster erkennen:
Analysieren Sie Ihr Team aus PCM-Perspektive: Wer denkt analytisch (Logiker), wer reagiert spontan (Rebell), wer sucht Stabilität (Empathiker)?
Diese Beobachtung schärft Ihre Wahrnehmung und verhindert Missverständnisse.
Denn Widerstände sind selten persönlicher Natur – sie sind Kommunikationssignale, die zeigen, dass jemand auf der falschen Ebene oder mit der falschen Ansprache abgeholt wird. - Ebenen planen – Kommunikation bewusst steuern:
Definieren Sie für jede Phase des Change-Prozesses, welche Kommunikationsform Sie einsetzen wollen:- Kick-off: Move Talk (Sicherheit, Präsenz) + Basic Talk (klare Ziele).
- Umsetzung: High Talk (Inhalte, Logik) + Basic Talk (klare Zuständigkeiten).
- Krisen oder Konflikte: Basic Talk (Klärung) + Move Talk (Deeskalation, Beziehung).
So vermeiden Sie, dass Meetings sich im Argumentieren verlieren oder dass Entscheidungsstärke als Dominanz missverstanden wird. Kommunikation folgt einem Plan – nicht einem Zufall.
- Kultur reflektieren – Führungsverhalten anpassen:
Prüfen Sie regelmäßig, welche Kommunikationsebenen und Sprachsysteme Ihre Organisation prägen:- Wird eher vertikal kommuniziert (Macht, Hierarchie, Ansage)?
- Oder horizontal (Dialog, Beteiligung, Kooperation)?
Beides hat seinen Platz – entscheidend ist das bewusste Wechseln zwischen den Systemen.
Wer als Führungskraft diesen Wechsel beherrscht, formt Kultur durch Kommunikation: verbindlich, respektvoll, wirksam.