Change scheitert selten am strategischen Konzept. In meiner Erfahrung als Interim Manager scheitert er vor allem daran, dass Risiken nicht rechtzeitig gesehen und nicht konsequent adressiert werden.
Für CEOs und CHROs ist das besonders gefährlich: Sie verlieren Vertrauen, Führungsautorität und das Momentum des Wandels – mit direkten Folgen für ihre Organisation und ihre persönliche Reputation.
Doch Risiken sind kein Schicksal – sie lassen sich entschärfen, wenn Führung Orientierung und Struktur gibt. Genau hier setzt mein Framework für Führung im Wandel an: Klarheit, Timing, Rhythmus, Stakeholder, Wirkung. Diese fünf Dimensionen entscheiden, ob Risiken im Change eskalieren – oder ob sie zum Treiber von Vertrauen und Momentum werden.
Typische Risikofelder im Change – im Raster des Frameworks
- Klarheit – Orientierung in der Unsicherheit
- Stakeholder-Vertrauen: Wenn Erwartungen unklar bleiben, entstehen Interpretationslücken. Das ist ein Nährboden für Gerüchte.
Beispiel: In einem Fusionsprojekt habe ich ein Machtvakuum erlebt, weil niemand offen über den genauen Zuschnitt einzelner Unternehmenseinheiten in der neuen gemeinsamen Organisation sprach. Viele Mitarbeiter waren irritiert und hinterfragten den Sinn der Fusion. Die Abwanderung von Schlüsselkräften begann, bevor diese Details entschieden waren. - Kulturelle Risiken: Wer ungeschriebene Gesetze einer Organisation ignoriert, verliert sofort Glaubwürdigkeit.
Beispiel: In einem Familienunternehmen wurde ein neues Führungsmodell eingeführt, das stärker auf Eigenverantwortung setzte. Doch die Belegschaft war es gewohnt, dass die Geschäftsführung jeden Schritt vorgab und den Fokus wenig auf Eigenverantwortung legte. Statt Aufbruchsstimmung entstand Verunsicherung – das neue Modell wurde als „Führungslosigkeit“ empfunden. Der Kulturwandel wurde wesentlich verzögert, weil die gewachsene Erwartung an Nähe und Kontrolle nicht berücksichtigt und die neuen Erwartungen nicht glaubhaft verankert wurden.
- Stakeholder-Vertrauen: Wenn Erwartungen unklar bleiben, entstehen Interpretationslücken. Das ist ein Nährboden für Gerüchte.
- Timing – den richtigen Moment erkennen
- Entscheidungs-Timing: Entscheidungen, die zu spät kommen, wirken getrieben; solche, die zu früh fallen, überrollen die Organisation.
Beispiel: Ein CHRO kündigte den Führungskräften den Abbau eines erheblichen Teils der Stellen an, bevor ein detailliertes und abgestimmtes Konzept sowie eine Kommunikationsstrategie vorlagen. Ergebnis: Blockade statt Unterstützung und Fortschritt. - Kapazitätsrisiken: Change-Initiativen, die parallel gestartet werden, überlasten Führung und Teams.
Beispiel: Eine Führungsebene musste gleichzeitig Kostensenkung, Reorganisation und neue Wachstumsinitiativen managen. Das führte zu Burnout-Symptomen – und behinderte den Kurs des profitablen Wachstums erheblich.
- Entscheidungs-Timing: Entscheidungen, die zu spät kommen, wirken getrieben; solche, die zu früh fallen, überrollen die Organisation.
- Rhythmus – Taktung und Dosierung steuern
- Kommunikations-Dosierung: Zu viel Information überfordert, zu wenig schafft Unsicherheit.
Beispiel: In einem Digitalisierungsprojekt verschickte das Projektteam täglich lange Mails mit Detail-Updates. Gut gemeint, aber das Projekt bekam den Ruf, „Bürokratie und Zusatzaufwand statt Fortschritt“ zu erzeugen.
- Kommunikations-Dosierung: Zu viel Information überfordert, zu wenig schafft Unsicherheit.
- Stakeholder – Erwartungen ernst nehmen
- Stakeholder-Erwartungen: Wer zentrale Stakeholder-Gruppen nicht einbindet, riskiert stille Blockaden.
Beispiel: Ein Betriebsrat wurde erst spät in kritische Teilprojekte eines Veränderungsprozesses involviert – und nutzte seine Position und seinen Kommunikationsradius, um Monate lang notwendige Maßnahmen auszubremsen. Er und Teile der Belegschaft fühlten sich nicht gehört.
- Stakeholder-Erwartungen: Wer zentrale Stakeholder-Gruppen nicht einbindet, riskiert stille Blockaden.
- Wirkung – Führung sichtbar machen
- Führungssignale: Ein CEO, der sich nicht zeigt, wird unsichtbar. Einer, der zu früh mit großen Reden auftritt, wirkt überheblich. Gerade in der sensiblen Phase eines CEO-Wechsels im Change verstärkt sich die Wirkung jedes Signals.
Beispiel a) „zu spät“: Nach einem CEO-Wechsel in einem Transformationsprogramm wartete das Top-Management zu lange auf klare Signale. Mitarbeitende begannen, eigene Deutungen zu entwickeln – von Gerüchten über Strategiewechsel bis hin zu Spekulationen über Standortschließungen. Als der neue CEO schließlich auftrat, waren die Narrative längst verfestigt – und Vertrauen ließ sich nur mühsam zurückgewinnen.
Beispiel b) „zu früh“: In einem anderen Fall startete ein neuer CEO mit sofortigen, operativen Handlungsanweisungen, ohne das Unternehmen, die Kultur und die Führungskräfte ausreichend kennenzulernen. Statt Orientierung stiftete er im sensiblen Change-Prozess Irritation: Die Führungskräfte fühlten sich überrollt, missverstanden und nicht einbezogen – was die Bereitschaft zum Wandel massiv schwächte.
- Führungssignale: Ein CEO, der sich nicht zeigt, wird unsichtbar. Einer, der zu früh mit großen Reden auftritt, wirkt überheblich. Gerade in der sensiblen Phase eines CEO-Wechsels im Change verstärkt sich die Wirkung jedes Signals.
Warum Risiken früh sichtbar sind
Risiken im Change entstehen selten aus dem Nichts. Sie zeigen sich in Stakeholder-Stimmungen, in unausgesprochenen Fragen, in kleinen Widerständen. Wer hinhört, wer Stimmungen ernst nimmt und nicht als „Nebengeräusch“ abtut, erkennt sie früh genug.
Doch genau hier liegt das Problem: Führungskräfte sind oft so sehr auf Strategien und Strukturen konzentriert, dass sie diese Signale übersehen.
Wie erkennt man Risiken frühzeitig?
- Stakeholder-Gespräche führen – nicht nur im Top-Management, sondern auch an der Basis.
- Verhaltensmuster beobachten – sinkendes Engagement, ironische oder zynische Kommentare (Achtung: Zynismus ist ein Stress-Signal), fehlende Teilnahme an Meetings.
- Informelle Kanäle ernst nehmen – Flurfunk, Betriebsrat, Social Media (intern und extern) enthalten wertvolle Hinweise. Mit regelmäßigem Social Listening erfasst man sie und kann frühzeitig reagieren
- Stimmungsmessungen einbinden – Mitarbeiter-Barometer und kurze Pulsbefragungen liefern harte Fakten zu Stimmung, Leistungsbereitschaft und Identifikation, die Intuition ergänzen. Und übrigens: Barometer-Abfragen sind nicht nur Erkenntnisquelle, sondern auch ein starkes Kommunikationstool.
So wird Führung entlang des Frameworks greifbar:
Klarheit durch Fakten, Timing durch Beobachtung, Rhythmus durch Routinen, Stakeholder durch Dialog, Wirkung durch gezielte Signale.
Wie Risiken systematisch entschärft werden können
- Klarheit herstellen: Den Kern und die Mission der Veränderung immer wieder benennen: Was verändert sich? Warum? Was bleibt? Auch Teilantworten (wenn manche Aspekte noch unklar sind) schaffen mehr Vertrauen als Schweigen oder stille Ablehnung.
- Timing kalibrieren: Wichtige Entscheidungen sorgfältig vorbereiten – und genauso klar kommunizieren, warum manche Entscheidungen noch nicht getroffen werden. Das schützt vor Aktionismus und Vertrauensverlust.
- Rhythmus einziehen: Verlässliche Taktung in Kommunikation und Entscheidungen etablieren – z. B. wöchentliche Updates, feste Jour-fixe, sichtbare Projektmeilensteine (auch in Maßen bewusst redundant). Das gibt Orientierung und reduziert Stress.
- Stakeholder einbinden: Erwartungen regelmäßig erfassen, zuhören, Rückmeldungen spiegeln. Frühzeitige Gespräche mit Schlüsselpersonen im Unternehmen, z.B. Betriebsräten oder natürlichen Influencern, aber auch mit ausgewählten Kunden oder Geschäftspartnern machen Risiken sichtbar, bevor sie eskalieren.
- Wirkung bewusst setzen: Führung sichtbar machen – nicht nur auf der Bühne, sondern im Alltag. Kleine Gesten im richtigen Moment (z. B. ein spontaner Besuch, eine persönliche Botschaft) können stärker wirken als große Reden.
- Kapazitäten realistisch planen: Organisationen können nicht unbegrenzt Veränderung schultern. Realistische Projektportfolios, Priorisierung und gezielte Entlastung sind ein Schlüssel zur Risikominimierung. Unzureichendes Kapazitätenmanagement erlebe ich in fast jedem Interim Mandat.
- Externe Reflexion nutzen: Interim Manager oder externe Sparring Partner erkennen Risiken schneller, weil sie mit Distanz, Erfahrung und unbefangenem Blick in die Organisation kommen.
Die Rolle von Interim Managern
Interim Manager arbeiten fast immer in Situationen, in denen Risiken bereits eskaliert sind. Ihre Aufgabe ist es, den Moment neu zu setzen, Risiken sichtbar zu machen und den Rhythmus so zu strukturieren, dass Führung wieder wirkt.
Mit Distanz, Erfahrung und einem neutralen Blick sind Interim Manager die Frühwarnsysteme im Wandel – und zugleich die Impulsgeber, Risiken in Vertrauen und Momentum zu verwandeln.
Fazit
Risiken im Change sind nichts, wovor man sich fürchten muss, sondern eine Führungsherausforderung entlang der fünf Prinzipien Klarheit, Timing, Rhythmus, Stakeholder und Wirkung.
Wer sie früh erkennt und ernst nimmt, vermeidet Eskalationen – und macht Wandel möglich.
Besonders für CEOs und CHROs, aber natürlich auch für andere, im Change besonders geforderte Führungskräfte gilt: Sie sollten sich nicht allein auf ihren Instinkt verlassen. Der richtige Moment lässt sich mit Fakten, Analysen und Stakeholder-Erwartungen bestimmen.
Genau dafür habe ich mein Executive Communication Audit entwickelt: In 30 Tagen werden die kommunikativen Risiken sichtbar, die über Erfolg oder Scheitern eines Wandels entscheiden.